Humor ist kein Geschenk

“Man möge mir Desinfektionsmittel reichen!“

 “Man möge mir Desinfektionsmittel reichen!“
möchte ich rufen, doch wen soll ich ansprechen? Den netten Herren der neben mir sitzt, im Bauarbeiterlook, gehüllt in ein gemischtes Bouquet aus alter und frischer Hopfenkaltschale? Unklar, ob er gerade von der Arbeit kommt oder zur Arbeit möchte oder ob er überhaupt in diesem Zustand noch zur arbeitenden Bevölkerung zählt.

Vielleicht aber auch die nette Dame rechts neben mir, die mir ihren Rucksack, wer auch immer diese Dinger erfunden hat, ins Gesicht drückt. Der Rucksack verbreitert das Volumen der Dame um das doppelte. Ich frage mich ob Rucksäcke bei der BVG Ticketpflichtig sein sollten, einige dieser Exemplare nehmen, auf dem Rücken verbleibend, den Raum einer weiteren Person ein. Zwischen den Beinen platziert könnte Standfläche freigegeben werden.

Ein junges Mädchen, das sich wohl heute beim Erfinden ihrer Augenbrauen um einen ganzen Zentimeter in Richtung Nasenrücken vertan hat, hat sich bereits sehr gut vorbereitet und vor Antritt ihrer Reise einen süßorientalischen Duft aufgelegt. Sicher um sich gar nicht erst mit den weniger einzuordnenden Gerüchen auseinandersetzen zu müssen.

Der junge Mann mir Gegenüber spielt Kapitän Kirk und spricht in sein horizontal gehaltenes Smartphone. Nach einem deutlichen Signalton, hält er es ebenfalls horizontal neben sein Ohr. Erstaunlicher Weise spricht er dann erneut in sein Gerät, mit dem für alle hörbaren Hinweis, “Ey alter, sende mir keine Sprachnachrichten, die ich nicht abhören kann wenn ich in der Bahn sitze.”

Ich nehme mir ganz fest vor mir so kleine Zettel zu drucken, auf denen die Gebrauchsanweisung zum Abhören von Sprachnachrichten in der Öffentlichkeit, so ausführlich wie möglich, aber so kurz wie nötig verfasst ist. Am besten in Bildern, ich habe gelesen, dass immer weniger Menschen lesen. Beziehungsweise nicht in der Lage sind das was geschrieben ist auch Sachlogisch aufzunehmen und zu verarbeiten.

In diesem Zusammenhang macht es Sinn, Freitags von der Schule fernzubleiben, die wichtigen Sachen im Leben werden dort eh nicht vermittelt. Das wichtigste kann sich jeder auch dem Internet ziehen. Mit dem neuen 5G wird das bald sogar noch schneller möglich sein, also werden die Menschen immer intelligenter. Allerdings frage ich mich, auf welches zur Verfügung gestellte Wissen zurückgegriffen werden kann, wenn der §13 des Urheberrechtes umgesetzt wird.

Das ist recht gewagt, da dies zur Folge haben könnte, dass ein weiterer Mangel an Lehrkräften entsteht, diese werden dann benötigt um das, dann nicht mehr 24/7 zur Verfügung stehende, Wissen wieder vermitteln zu können. Ob allerdings die kognitiven Fähigkeiten mit langsam verkümmernden Synapsen, bedingt durch den Ausbau von elektromagnetischen Feldern, dann eine Aufnahme und Verarbeitung noch erlauben… Darüber streiten sich selbst noch die Wissenschaftler, die Wissen schaffen.

Ich muss aussteigen, wie auch immer ich jetzt schnell genug, ohne mit Düften und Körperfasern der Mitreisenden in Verbindung zu kommen, aus diesem Transportmittel komme.
“Man möge mir Desinfektionsmittel reichen!“

Autor: Miriam Haberer  – 25.03.2019